Europäische Kontexte der Versöhnung - Aktuelle Herausforderungen für die Kirchen in Europa (ÖR 3/2022)

Über spezifische europäische Versöhnungskontexte sollte es in diesem Heft gehen. Das planten wir, als wir noch nicht ahnten, dass wir vor dem Ausbruch eines neuen Krieges in Europa standen. Die Beiträge dieses Heftes gehen auf einen Workshop der Gesellschaft für Evangelische Theologie (GET) vom 25.–28.10.2021 zurück, der in der Internationalen Jugendbegegnungsstätte in Krzy?owa (Kreisau/Polen) stattfand. Die Tagungsstätte befindet sich auf dem ehemaligen niederschlesischen Gut von Helmuth James Graf von Moltke, wo ab 1940 neben Treffen in Berlin und München ein Kreis von Widerständigen zusammenkam, der später von der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) „Kreisauer Kreis“ benannt wurde. Die „Stiftung Kreisau für Europäische Verständigung“ wurde vor 30 Jahren gegründet, einige Monate nach der deutsch-polnischen Versöhnungsmesse am 12. November 1989, an der die Regierungschefs Polens und Deutschlands, Tadeusz Mazowiecki und Helmut Kohl, teilgenommen hatten. Die Initiatoren waren vor allem Polen und Deutsche, Katholiken und Protestanten, die die Teilung Europas in Folge des Zweiten Weltkriegs überwinden wollten und denen es wichtig war, Räume zu schaffen, in denen sich europäische Beziehungen auf der Grundlage von gegenseitigem Respekt, Dialog und Bereitschaft zur Versöhnung entwickeln könnten. Hier wurden nun in dem Workshop der GET ausgewählte europäische Krisen-Kontexte behandelt und überlegt, welche Rolle die Kirchen für ihre Bewältigung jeweils zu spielen hätten. Der starke Schwerpunkt auf Osteuropa (Polen, Rumänien, Ungarn, Nordmazedonien, Ukraine und Albanien) wurde ergänzt durch zwei westeuropäische Fallbeispiele (Italien und West-Deutschland) sowie eines, das auf die Zeit der DDR zurückgeht. Im Zentrum steht jeweils die Frage, wie die Kirchen zur Krisenbewältigung und zur Versöhnung beitragen können oder möglicherweise auch selbst in Konflikte verstrickt sind.