Vergangenheit – Gegenwart – Zukunft (ÖR 3/2023)

Der Kolonialismus hat tiefe Wurzeln der Diskriminierung, Unterdru?ckung und Ausbeutung geschlagen und bis in die Gegenwart hinein wirkmächtige Prägungen im kulturellen und ge sellschaftlichen Wissen, Denken und Verhalten hinterlassen – sowohl in den Ländern der ehemaligen Kolonien als auch in den Ländern der ehemaligen Kolonialmächte. Diese nicht selten tief verborgenen Prägungen können sich in neokolonialen Ideologien und Kräften wie systematischem Rassismus und wirtschaftlicher Ausbeutung fortentwickeln beziehungsweise neu entfalten. Mit der Frage nach dem Umgang mit der kolonialen Vergangenheit und der kritischen Wahrnehmung und Aufarbeitung der durch den Kolonialismus vererbten Prägungen beschäftigen sich seit etwa Mitte des 20. Jahrhunderts die sogenannten postkolonialen Studien.
Seit einigen Jahren sind diese Theorien und Ansätze nun auch in Europa nicht nur zu einem festen Bestandteil der akademischen Debatten geworden, sondern eröffnen vermehrt gesellschaftliche, politische und auch kirchliche Auseinandersetzungen um eine kritische und verantwortliche Erinnerung der kolonialen Vergangenheit, um eine Enttarnung der weiterhin wirkmächtigen kolonialen Prägungen und Privilegien in der Gegenwart und um die Suche nach einer veränderten, interkulturellen Gestaltung der Zukunft.